„Ich habe sie gefunden!“, strahlt Henni und hält Ulla ein Paar Gummistiefel vor vors Gesicht.
Ulla schaute an ihr herab. Henni trägt ein identisches Paar Gummistiefel an den Füßen.
„Ähm, komm doch erst einmal rein!“, sagt Ulla und geht vor durch den Flur in die Küche, in der schon für Kaffee und Kuchen gedeckt ist. Henni hat Möhrenkuchen mitgebracht, den sie neuerdings wieder essen kann und sehr gut verträgt, ohne dass ihr kleines Stinktier von einem Immunsystem übertrieben Alarm schlägt.
Henni hatte Ulla vor zwei Tagen so eine Geschichte von „NL-schlag mich tot“ und falsch erlernten Reaktionen, die wieder rückgängig gemacht werden konnten, erzählt, aber Ulla hatte das nicht so richtig verstanden und sich nicht getraut nachzufragen und sich danach lieber mit Margret unterhalten, die von solchen Dingen auch nicht so viel verstand wie sie, aber auch einen Tag zuvor „Let’s Dance“ geschaut hatte. Hier kennen sich beide Frauen aus. Hier fühlen sie sich sicher. Ulla kannte Margret aus dem Schwimmkurs der Krankenkasse, zu dem Ulla gerade ging.
„Margret hat sich auch die neuen Angebote vom ALDI angeschaut. Die haben kommende Woche Berner Würstl, die sie aus ihrem letzten Österreich-Urlaub kennt. Habe ich dir das eigentlich erzählt?“, fragte Ulla und Henni fragte sich neuerdings jedes Mal, wieso sie das so fragte und ob sie einfach nur nicht mehr wusste, ob sie ihr das erzählt hatte. Oder, ob sie es einfach so vielen erzählt hatte, dass sie den Überblick verlor, wem sie was erzählte.
Es macht ein blödes rosafarbenes Gefühl in Henni, weil sie immer genau wusste, was sie Ulla erzählte und erzählen wollte. Sie kam sich in diesem Moment so austauschbar vor. Sie fragte sich, ob es einfach nur so daher gesagt war oder Ulla einfach nur sicherstellen wollte, dass sie es ihr nicht schon einmal erzählt hatte, was ja wieder sehr nett war.
Henni seufzte. Zu viele Gedanken im Kopf, die dort ihren Unfug trieben.
„Was ist denn jetzt mit deinen Gummistiefeln in der Hand?“, fragt Ulla und diese Frage klang schon wieder ganz ehrlich Grün ohne Rosa und ganz nach Ulla, die den beiden Frauen bereits Kaffee eingeschüttet hat.
Henni hat vor lauter rosafarbener Gedanken ganz ihre Gummistiefel vergessen, die sie noch immer in der Hand hält.
„Sie sind uns heute in der Stadt begegnet. Sie schauten aus dem Fenster, hatten sich vor ihrem Besitzer versteckt und wir konnten nicht an ihnen vorbeigehen, ohne sie mitzunehmen. Sie taten uns voll leid“, erklärt Henni.
„Du hast sie geklaut?“, fragt Ulla.
„Nein, der unhöfliche Mann hat, als ich zu lange vor dem Gartenzaun stand, gesagt, ich solle mich verziehen und woanders so ein dummes Gesicht machen. Und dann habe ich hm geantwortet, das würde ich nur dann tun, wenn er mir die Gummistiefel mitgeben würde. Dann hat er mich total verdutzt angeschaut und gesagt, das wäre eine verdammt gute Idee, denn die seien von seiner Ex-Frau und die sollten dann mit mir dahin, wo der Pfeffer wächst. Er hat die Gummistiefel über den Zaun nach mir geworfen …“ Henni wird ein wenig atemlos bei der Erzählung.
„Er hat w-a-s gemacht?“, fragt Ulla noch einmal nach, weil sie es nicht glauben kann.
„Wir haben uns die Gummistiefel geschnappt und haben gemacht, dass wir wegkommen!“, sagte Henni. „Wir haben sie gerettet und wir ziehen sie jetzt nur zu besonderen Gelegenheiten an.“
„Und wann wäre das?“, fragt Ulla nach und denkt, dass so etwas auch nur Henni passiert. Ihr würde so etwas nie passieren, aber sie würde es Margret erzählen, denn die mochte die Geschichten von Henni und Henni auch
„Ostern natürlich!“, lacht Henni und lässt sich den Möhrenkuchen gut schmecken.