Henni schaute auf den Berg von Klamotten, der vor ihrem alten, windschiefen Kleiderschrank lag und ihr so vollständig den Zugang zu den fast leeren Schrankregalen dahinter versperrte.
„Wir müssen das jetzt wirklich erst alles wegräumen, bevor wir den Schrank wieder einräumen können!“, seufzte sie und nahm die erste Mülltüte vom Tisch.
Nach und nach verschwanden Hosen mit Löchern, die zu kurz, zu lang, zu eng oder zu weit geworden waren. Verwaschene und verblichene Hemden, die jetzt wirklich nicht mehr die Farbe besaßen, die sie einst ihr eignen genannt hatten. Jacken, die bessere Zeiten gesehen hatten und alles, nur ihre Besitzerin mehr wärmen konnten. Und so viele Paare von Gummistiefeln, die nicht einmal mehr als etwas müffelige Blumentopf durchgehen können.
Drei Müllbeutel bekam Henni so schnell vollgestopft. Und damit jedem Kleidungsstück die Erinnerung an eine Zeit kam, in der sie es getragen hatte, beeilte sie sich und kam dabei ziemlich schnell außer Atem.
„Ausgummistiefeln ist echt anstrengend!“, sagte sie am Schluss. Sie stellte dann alle drei schweren Beutel, damit sie es sich nicht noch einmal anders überlegte, erst einmal auf den Hausflur neben ihre Wohnungstür. Henni schloss die Wohnungstür schnell hinter sich zu, so, als würde sie damit verhindern, dass all die Erinnerungen zu den Kleidungsstücken, die nicht im Müllbeutel geblieben waren, herausgekrochen kommen würden.
Sie waren längst da, all die Erinnerungen. Und weil das jedes Mal so war und Henni das wusste, hatte sie das sooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo lange aufgeschoben. Bis heute.
Sie fand, der 1. Mai war ein gutes Datum. Eines, an das sie kleidungstechnisch keine schlechte Erinnerung hatte.
Henni lehnte noch immer an der Wand neben der Wohnungstür. Sie verlagerte ihr Gewicht nach vorne, seufzte noch einmal tief und ging dann in die Küche. Sie kochte sich einen Kaffee und setzte sich schwerfällig mit dem Kaffee und ihren derzeitigen Zitronen-Lieblingskeksen auf ihr Sofa.
Die ganze Zeit hatte jedes einzelne Kleidungsstück seine Geschichte erzählt, die gehört werden wollte. Das laute Erzählen war mittlerweile zu einem leisen Flüstern geworden und saß in der leeren Ecke auf dem Sofa.
„Wir haben das gut gemacht!“, munterte Henni sich auf und morgen schauen wir, wem wir mit den Klamotten aus der Tüte noch eine Freude machen können.
Henni trank ihren Kaffee sehr bedächtig und mit jedem Schluck wurde das Flüstern leiser, bis es irgendwann ganz verschwand. Für heute hatte Henni genug und zog ihren geliebten Kapuzenpulli noch etwas enger um sich. Sie gähnte, nahm ihre Decke und legte sich aufs Sofa.