Die Personen und ihre Namen sind verändert worden, aber die Geschichte ist wahr und hat sich gestern so im Südengraben abgespielt.
Früher Samstagnachmittag. Henni packte gerade ihren kleinen Einkauf in den Kühlschrank. Eine rote und eine gelbe Paprika, kleine Tomaten, eine Packung Nudeln, Gehacktes, Brot und einen Monte-Becher.
„Henni, Henni!“ Ullas laute Stimme vom Fenster aus dem Nachbarhaus gegenüber war leuchtend rot und klang mächtig aufgeregt. Henni ließ vor Schreck fast den Monte-Becher fallen. So hatte Henni sie noch nie gehört, nicht einmal, als ihr Sohn Robert ihr Silvester erzählte, dass er im Sommer nach Berlin ziehen wollte und Ulla sich gerade noch freute, weil sie dachte, er wolle mit ihr Silvester feiern, der Arsch!
„Was ist los?“ Henni war an das weit geöffnete Fenster getreten.
„Du muss sofort zu mir kommen. Du glaubst nicht, was mir gerade passiert ist! Ich habe schon Kaffee gekocht und Baileys aus dem Keller geholt.“
„Wir sind gleich da!“ Henni schnappte sich ihre Jacke, den Schlüssel und lief die Treppenstufen hinab.
An der Eingangstür traf sie ihren Nachbarn, Herrn Jürgen Peters.
„Na, da haben Sie ja gerade was verpasst, Frau Henni! Und so was am helllichten Tag in unserer Straße. Die Welt wird doch immer schlechter Aber zum Glück war ja unsere Hermes-Bote zur Stelle.“ Er schüttelte mit dem Kopf und trat zur Seite.
„Etwa dieser unfreundliche Kerl, der uns mal angemeckert hat, weil wir ihm angeblich die Tür nicht öffnen würden und wir doch nur immer zu spät kommen, weil der Türöffner nie funktioniert!“, fragte Henni und wunderte sich noch mehr. Heute kam sie aus dem Wundern ja einfach nicht mehr heraus und dabei war sie doch nur kurz einkaufen gewesen.
Jürgen Peters musste lachen. „Ja, genau der! Heute war er ein anderer. Ich habe es gesehen. Er wurde für ihre Freundin Ulla zum Helden und er war der wahrhaft echte Götterbote!“
„Wir verstehen nur Bahnhof und der Zug ist auch längst weg!“, sagte Henni immer mehr verwirrt.
„Lassen Sie sich die Geschichte von Ihrer Freundin Ulla erzählen und dann erzähle ich Ihnen meine! Jetzt muss ich mich erst einmal hinlegen, das war zu viel Aufregung für mich für einen Tag!“ Er war ganz rot im Gesicht. Ulla hatte mal gesagt, er habe zu hohen Blutdruck und daher müsse er aufpassen, dass er nicht zu viel Aufregung auf einmal abbekam.
Henni beeilte sich über die Straße und an der Haustür kamen ihr eine Polizistin und ein Polizist entgegen. Der Polizist hielt ihr die Tür auf. „Bitte schön!“, sagte er.
„Danke schön!“, antwortete Henni, bekam es jetzt mit der Angst zu tun und mit der nahm sie zwei Stufen auf einmal, um schnell nach oben zu gelangen. Völlig außer Atem und verwirrender Gedanken kam sie oben vor Ullas Wohnungstür an.
Henni klingelte Sturm und Ulla öffnete ihr die Tür. „Komm rein.“ Ullas Stimme war ganz leise und Ulla ging auch sehr langsam und ließ sich dann auf den Küchenstuhl fallen. Vor ihr stand eine Flasche Baileys und ein Glas. Keins für Henni, das war verdammt ungewöhnlich. Sie sah blass aus und als sie Ulla anschaute, hatte sie Tränen in den Augen.
„Ulla, erzähl es uns!“ Henni legte kurz einen Moment ihre Hand auf Ullas. Die war ganz kalt. Als sich Ulla noch ein Glas einschütten wollte und ihre Hand zu sehr zitterte, nahm ihr Henni die Flasche aus der Hand und schüttete ihr ein. Ulla trank aber nicht. Sie schaute nur in das Glas und dann begann sie zu erzählen:
„Mir haben heute zwei Männer meinen Einkaufstrolley geklaut, Henni, vor der Tür!“ Sie schaute Henni an und unterbrach sich. „Ich hatte ihn vor der Haustür nur kurz abgestellt. Ich wollte gerade meine Haustür aufschließen. Ich wusste so schnell gar nicht, wie mir geschah, da kamen jemand angerannt, ich weiß nicht, woher die so plötzlich kamen ich spürte echt nur lauten Atem im Nacken und dann liefen schon zwei Männer weg mit dem Trolley. Und ich hatte doch ein Hähnchen für uns für morgen gekauft.“
Da musste Henni ein wenig lächeln, nur Ulla sorgte sich um das Essen am nächsten Tag. Henni war das egal, Hauptsache ihrer Freundin war nicht noch mehr passiert.
„Ich habe laut gerufen und wollte hinterher, aber ich bin nicht mehr so schnell und dann stand da am neuen Parkplatz der Wagen von Hermes. Und der Hassan springt aus seinem Wagen und schreit noch lauter als ich „Bleibt stehen, ihr Banditen, ich kriege euch!“ und rennt hinter ihnen her. Henni, der hat sie so erschreckt, da haben sie den Trolley vor der Treppe fallengelassen.“ Ulla lachte an der Stelle ein wenig und Henni fühlte sich gerade ganz klein und hatte auch ein schlechtes Gewissen, weil sie den Hassan das letzte Mal eher als unfreundlich erlebt hatte und nie gedacht hätte, dass der so toll sein konnte. So etwas würde sie nie mehr nur von einem Menschen denken.
„Und dann kam er mit dem Trolley zurück und hat noch nach mir geschaut, ob bei mir alles o.k. ist, hat mir meinen Trolley gebracht und auch der Herr Peters, der ist aus dem Haus gekommen, um zu helfen. Und das alles, weil er ein Päckchen für dich hatte!“ Da kicherte Ulla schon wieder. „Weil du ein Päckchen bestellt hast, war der Hassan heute hier. Das war Glück im Unglück! Und darauf stoßen wir an!“ Ulla hob das Glas und Henni die Flasche. Da mussten sie beide lachen und Henni holte sich ein Glas aus der Küche, schüttete sich ein und prostete Ulla zu. Ihre Hand zitterte noch leicht, doch ihre Augen leuchteten schon wieder, denn Ulla war noch lange nicht fertig mit erzählen und Henni war schon sehr stolz auf den Hassan, der ihrer Freundin so geholfen hatte.
„Und dann habe ich ihn gefragt, was ich ihm Gutes tun kann und da hat er ganz bescheiden gesagt, eine Cola, das wäre super und ich hatte doch gerade eine gekauft. Die habe ich ihm gegeben und dann habe ich ihn für morgen eingeladen zum Kaffee und da kriegt er noch eine Belohnung von mir!“ Ullas Stimme war wieder kräftiger geworden. So kannte Henni ihre Freundin.
„Und du musst auch kommen und der Herr Peters auch!“
„Und die Polizisten?“; fragte Henni vorsichtig.
„Ich habe auch eine Anzeige gemacht. Das dürfen die doch nicht einfach so machen und das sollen Sie auch nicht noch einmal mit jemandem machen können!“ Ulla setzte sich kerzengerade hin und funkelte Henni an. So, dass Henni fast ein wenig Angst bekam vor dem Funkeln in Ullas Augen. „Und der Hassan, der kann die beiden beschreiben und wird das auch machen!“ Ulla seufzte und Henni wusste, dass ihre Freundin diesen Gerechtigkeits-Dings-Da hatte und der sprach gerade aus ihr.
„Aber Henni, du bist ja ganz blass, sag doch was!“ Ulla schaute Henni besorgt an.
„Ulla, ich bin so froh, dass dir nicht mehr passiert ist und der Hassan da war und der Herr Peters, dass ihr miteinander und du nicht alleine warst!“
„Und das alles wegen deines Pakets!“, lachte Ulla, griff neben sich auf den Stuhl und reichte Henni ihr Paket. „Da ist es!“
Henni schaute verdutzt und dann strahlte sie. „Weißt du, was da drin ist?“, fragte sie Ulla, die schüttelte mit dem Kopf.
„Das sollte schon Silvester für uns ankommen, aber heute passt es besser und du bekommst eins und der Hassan und der Herr Peters und ich und dann schießen wir das im Dunkeln leuchtende Glück in den Himmel!“ Ulla schaute sie fragend an und Henni riss lachend das Paket auf.
„Schau mal!“ Jetzt verstand Ulla, sah die Gummiflitsche, den Glücksheilikopter, sah das Licht, das Henni gerade einschaltete und lachte laut. „Ja, dieses Paket kam zu richtigen Zeit zu uns!“
Die beiden Frauen schauten auf den Inhalt des Pakets.
„Sollen wir dein Glück morgen in die Luft schießen?“, fragte Henni.
„Ja, morgen mit Hassan und Herrn Peters, wenn wir Kuchen gegessen und Kaffee getrunken haben!“, lachte Ulla.