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Henni und der Valentinstag

Bild: Quint Buchholz, Septembernachmittag, 1999
(Schreiben nach dem Bild und dem Anfanggsatz Es gschah am Valentinstag, als … )

Eine Sammlung weiterer Texte aus dem Online-Schreibcafè Schreiben immer mittwochs finden Sie hier als Textsammlung und als Pdf-Datei.

Er stand am Meer und wartete. Wartete mit dem alten, grünen Schirm in der rechten Hand, mit der er die seltene Flasche Bordeaux vor der Sonne beschützte, damit der sein Bouquet bei 18 Grad dann hoffentlich noch genauso kraftvoll entfalten konnte.
Natürlich hätte er auch einen banalen Eiskühler verwenden können, aber das tat man nicht mit Rotwein und es wäre darüber hinaus äußerst unpassend und dem feierlichen Anlass nicht angemessen gewesen.

Ebenso hätte es ein einfacher weißer Stehtisch aus Kunststoff auch getan, aber das war er nicht. Er wäre nicht Valentin, wenn er das einfach so tun würde. Er war nicht modern und daher musste der antike, schwere Beistelltisch aus einem Wohnzimmer mit an den Strand. Darauf platzierte er die sorgsam gebügelte Samtdecke, die wunderbar mit dem Rot des Bordeaux harmonieren würde.

Die Krönung waren die beiden Gläser aus seiner beleuchteten Vitrine, die die Flasche umrahmten.

Sein rechter Arm tat ihm weh. So zu stehen, strengte ihn an und sein Sonntagsanzug war für diese Jahreszeit viel zu warm.

Valentin schaute auf seine Armbanduhr an seinem linken Handgelenk. Viertel nach sieben Uhr. Sie war zu spät. Bereits eine Viertelstunde. Kurz überlegte er, ob er einen winzigen Schluck Rotwein gegen die Hitze trinken sollte. Er entschied sich erst dagegen und eine Viertelstunde später doch dafür. Nur ein kleiner Schluck. Er legte den Schirm nur für einen kurzen Moment geöffnet neben den Tisch und schüttete sich sehr behutsam einen Schluck dieses kostbaren Bordeaux ein, der die Jahreszahl ihrer Geburt trug.

Er seufzte. Was für eine Wohltat. Der erste Schluck rann seine durstige Kehle hinab und sein rechter Arm dankte ihm die Pause. Das Glas war schnell ausgetrunken, auf dem Tisch abgestellt, der Schirm wieder aufgehoben und ausgerichtet und der Anzug glattgestrichen. Sein Blick fortan wieder unverwandt auf den angrenzenden Parkplatz gerichtet.

Valentin schaute auf die Uhr. Viertel vor acht Uhr. Noch immer war sie nicht zu sehen. Doch Valentin wäre nicht Valentin, wenn er nicht doch daran glauben würde, dass sie sich heute wiedersehen würden, schließlich hatte er schon unendlich viele Nächte davon geträumt.

Sie kam auch nach dem mittlerweile vierten Glas Bordeaux nicht. Und Valentin saß um viertel nach acht längst im warmen Sand mit dem Schirm und der Flasche Bordeaux neben sich. Er füllte sich ein Glas nach dem anderen ein, bis die Flasche leer und er von der ungewohnten Schwere des Rotweins mächtig beschwipst und noch mehr müde war. Er legte sich nur einen kurzen Moment in den noch warmen Sand, deckte sich mit der Samtdecke zu und schlief ein.

„Hallo Sie! Alles in Ordnung?“, Eine laute Frauenstimme weckte ihn. War sie endlich bei ihm?
Valentin schaute mühsam auf, alles drehte sich leicht. Ebenso die Frau mit den roten Gummistiefeln und den weißen Punkten, die vor ihm immer im Kreis Karussell fuhr.

Valentin schloss seine Augen und öffnete sie wieder. Das Karussell hatte aufgehört sich zu drehen, doch die Frau stand noch immer da.

„Ja, alles gut. Haben Sie eine wunderschöne Frau gesehen?“

„Haben Sie von ihr geträumt?“, fragte die Frau mit den zerzausten Haaren und dem leuchtend gelben T-Shirt und hockte sich zu ihm.

Valentin rappelte sich noch etwas mehr auf und nickte. „Ich dachte wohl, sie gäbe es wirklich, aber das war wohl nur ein sehr schöner Traum!“

„Das kenne ich und wenn es am schönsten ist, dann wachen wir meist wieder auf!“, erklärte die Frau. „Wir sind übrigens Henni!“, sagte Henni.

„Ich bin Valentin!“, antwortete Valentin. „Sehr angenehm Ihre Bekanntschaft zu machen!“ Er verbeugte sich leicht, so gut, dass im Sitzen ging und wieder drehte sich das Karussell mit Henni drin.

„Ganz meinerseits!“, sagte einer der vielen Hennis aus dem drehenden Karussell.

Valentin schaute aufs Meer, denn da drehte sich kein Karussell und Henni tat es ihm wohl nach. Schweigend saßen sie so da bis die Sonne am Horizont die Wasseroberfläche in leuchtendes Gold verwandelte.

„Sie ist nicht gekommen, aber hier neben Ihnen ist das gar nicht schlimm!“

Er sah, wie sie bei seinen Worten errötete und im Sand ein wenig nach Worten suchte. Sie fand sie nicht, aber das störte ihn nicht, denn er wollte im Moment nirgendwo anders sitzen.

 

 

3 Kommentare

  1. Ulrike sagt

    Liebe Sabine,
    was für eine schöne Geschichte mit dem träumerischen Valentin und der tröstenden Henni am Strand – melancholisch wie ein Sonnenuntergang.

    Herzliche Grüße
    Ulrike

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