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Henni und die eingeschlossene Traurigkeit oder das Spaghetti-Bolognese-Lachen

„Ulla, wie schreiben wir eine Beileidskarte?“ Henni saß mit Ulla am Küchentisch und kaute an ihrem Kugelschreiber, der so zerkaut auch einfach keine Antwort parat haben konnte.
Ulla schaute sie an. „Du möchtest eine für den Peter schreiben?“

Henni nickte und schaute weiter auf die weißen Innenseiten der aufgeklappten Beileidskarte. „Wieso machen sie da immer einen schwarzen Rand um die Karte. Die Menschen, die sie bekommen, sind doch auch ohne den schwarzen Rand schon traurig genug, oder? So schließen sie die Traurigkeit dann auch noch ein.“

Ulla nickte stumm. „Ja, so habe ich das noch nie gesehen. Vielleicht solltest du eine andere machen. Eine, die nichts einschließt und eine ist, die von dir kommt.“

„Na ja, ich kannte ihn ja nicht so gut, nur die wenigen Male, wo ich mit dir im Schnöggel gewesen bin, da habe ich ihn gesehen und gleich gemocht.“

„Ja, manchmal kennen wir die Menschen vielleicht nur aus der Ferne, aber wir mögen sie und das, was sie tun, denn dadurch haben wir sie kennengelernt.“

„Wir erinnern uns an die Spaghetti Bolognese und sein Lachen, wenn er aus der Küche gekommen ist.“ Henni seufzt. „Aber, können wir das überhaupt in eine Karte schreiben?“

„Natürlich, du kannst alles schreiben, da gibt es kein Falsch und kein Richtig, nur ein Spaghetti-Bolognese-Lachen, an das du dich bis heute erinnerst. Das ist wichtig, nichts anderes. Versuch es einfach!“

Henni kaute noch ein wenig an ihrem Kugelschreiber und begann dann langsam und sorgfältig zu schreiben und zu malen!

Als Henni Ulla die Karte zeigte, kullerte eine Träne über ihr Gesicht. „Ja, die ist schön … traurig.“

Henni nahm einen neuen Umschlag, den ohne schwarzen Rand und steckte die beschriebene Karte hinein. „Wir sind jetzt immer noch aber anders traurig. Gehst du mit mir eine Pusteblume suchen?“

„Ja, später.“, sagte Ulla, die es sich gerade für ihre Serie auf dem Sofa bequem machen wollte.

„Nein, Ulla, nicht später! Wir müssen die Dinge sofort tun, sonst lässt uns das Leben nicht mehr.“ Henni hatte ihre Arme entschlossen in die Seite gestemmt.

Ulla schaute noch ein letztes Mal seuzfend zum Fernsehgerät. Dann schaltete sie das Gerät aus, stand auf und verließ mit Henni die Wohnung.

 

6 Kommentare

  1. Ach, Henni, Beileidskarten schreiben, während du in einem Pusteblumenfeld sitzt, Karten entwickeln, die nicht mit ihrem schwarzen Rand die Trauer einschließen, sondern auf deren weißen Tupfen sich die Tränen der Trauernden treffen können, dem Leben jetzt zu begegnen, bevor es sich es anders überlegt und dem Tod den Raum überlässt – das sind alles Dinge, die ich tagtäglich von dir aufs Neue lerne und die mich schlicht glücklich machen. Egal ob rotweißgepunktet oder grünblau- gestreift …

  2. Ulrike sagt

    Liebe Sabine,
    wie schön, wenn von Herzen kommende Worte den Trauerrahmen aufbrechen können.
    Henni weiß, wie es geht.

    Herzliche Grüße
    Ulrike

    • Sabine sagt

      Liebe Ulrike,
      ja, ich glaube Henni weiß das und hilft uns damit auch,
      liebe Grüße,
      Sabine

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