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Neulich im Advent bei Zoom – Der Ho®st ist woanders

Da brennt die erste Kerze und der Ho®st ist nicht da. Der ist gerade woanders, sagt Zoom allen, die noch vor Punkt 18:00 Uhr nach ihm fragen. Und alle, die Pandemiebedingt Online-Meeting-erfahren sind, wundern sich und wundern sich auch wieder nicht.
Ist doch Ho®st immer der, der einlädt und, dass er einlädt und nicht da ist, weil er woanders ist, das gehört sich ja grundsätzlich gar nicht und zu Weihnachten schon mal überhaupt nicht, oder? Pandemie, Zoom, Advent, hin oder her.

Eingeladen ist eingeladen. Punkt. Ausrufezeichen! Da wird nicht gekniffen und einfach die Tür nicht aufgemacht, wenn es soweit ist. Schließlich brennt hinter der Tür, die sich nicht öffnet, die erste Kerze ganz allein vor sich hin, was brandschutztechnisch auch nicht ganz ungefährlich ist.

Also stehen sie alle immer noch vor der Tür und klingeln und klopfen und rufen. Nichts tut sich. Ho®st ich nicht da. Sie rufen an, die Vermieterin geht ans Telefon.
Also, der Ho®st, der ist doch da, nein, ist er nicht, einen Moment bitte, ich schaue mal nach. Vielleicht sitzt er im Wohnzimmer, das seit heute Vormittag kein Fernsehzimmer mehr ist, denn der wurde heute abgeholt und verschrottet. Der Fernseher, nicht der Ho®st.

Da sitzt er auch nicht, sagte die Vermieterin und schaut sich weiter um. In der Küche findet sie ihn. Er hört Radio. Klassik. Laut. Hat Kopfhörer auf, der Ho®st, deshalb hat er nichts gehört und die Zeit vergessen.

Die Zeit vergessen, seufzt die Vermieterin und legt auf.

Ho®st nimmt seine Kopfhörer ab und muss erst einmal wieder aus der Welt des Klangs zurückkehren und sich in der Welt in seiner Wohnung orientieren.

Ihr Besuch ist da, sagt die Vermieterin. Er nickt. Das habe ich ganz vergessen und ich glaube, Besuch kommt mir gerne, aber ein Fernseher nicht mehr ins Haus. Das Radio ist doch viel schöner und die ganzen Bilder, die habe ich selbst in meinem Kopf und brauche sie nicht auf der Mattscheibe.

Sie nickt und öffnet Ho®sts Besucherinnen die Tür ins Wohnzimmer. Hier wartet schon Tee, Kaffee und Gebäck mit Papier und Stift. Ho®st hat gebacken. Er hatte ja viel Zeit heute, denn seine Sendungen konnte er ja heute Vormittag alle nicht mehr schauen. Aber, backen mit Musik im Radio, das ging super.

 

2 Kommentare

  1. Annemarie+Winckler sagt

    Liebe Sabine,
    danke für diesen Rücksturz zur Erde, äh ins vordigitale Zeitalter. Da ist der Host dann wirklich ein Horst und öffnet als Gastgeber reale Türen, bietet als Gastgeber Bilderbuchplätzchen an und nicht nur Bilder von einem Plätzchen. Und vor allem: Es duftet nach Weihnachten, nach Zimt, nach Orangen, und vielleicht nach Gänsebraten. Das ist eigentlich das, was ich in diesen Zoom-Zeiten am meisten vermisse: Düfte, Gerüche…. Gut, auf den Geruch von Gänsebraten kann ich gern verzichten, aber den würde ich sogar gegen dieses völlig geruchlose Aufeinandertreffen in digitalen Räumen eintauschen. Und wenn ich dann endlich wieder in einem echten Vorlesungssaal der U3L sitze, werde ich mich innerlich nicht mehr über das durchdringend süßlich-schwüle Parfum einer Sitznachbarin aufregen.
    In diesem Sinne wünsche ich Dir einen herrlich duftenden Advent.
    Liebe Grüße Anne

    • Sabine sagt

      Liebe Anne,
      ja, das hat wieder mal viel Spaß gemacht, weil es aus dem Leben erzählt, wie es bestimmt vielen im Moment geht und so wird der Ho(r)st doch viel echter und wirklicher und sympathischer …
      Liebe Grüße,
      Sabine

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